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Lesen Sie zunächst die einführenden Erläuterungen zum Aktienbarometer Schweiz!
Zizers, 21.06.2022
Max Lüscher-Marty
Meine Einschätzungen verstehen sich als Beitrag zur Meinungsbildung – nicht mehr, aber hoffentlich auch nicht weniger. Finanzmärkte im Allgemeinen und Aktienmärkte im Besonderen verhalten sich zu oft wie ungezogene Kinder. Sie halten sich nicht gerne an Regeln, auch wenn diese zuweilen durchaus vernünftig erscheinen.
Ich halte mich im Folgenden konsequent an den Swiss Performance Index (SPI). Der SPI ist bekanntlich ein Total Return Index und umfasst alle (rund 215) an der SIX primär kotierten Aktien (ohne Investmentgesellschaften). Er zeigt die Entwicklung des Aktienmarktes Schweiz unter der Annahme, dass die geleisteten Bruttodividenden unmittelbar reinvestiert werden.
Mit 16'552.36 Punkten hat der Swiss Performance Index (SPI) am 28. Dezember 2021 sein bisheriges Allzeithoch erreicht. Bis zum 17. Juni 2022 (Schlusskurs: 13'460.41) hat der SPI 3'091.95 Punkte abgegeben. Das entspricht einem Minus von (–)18,68%. Gemessen am Jahresschlusskurs 2021 von 16'444.52 Punkten, rechnet sich ein Verlust (YTD) von (–)18,15%.
Der Verlust (YTD) von (–)18,15% per Mitte Juni ist der höchste seit Lancierung des SPI. Verluste (YTD) per Mitte Juni von mehr als (–)5,00% gab es zuvor in den Jahren 2008 (–11,51%), 2001 (–9,54%), 2016 (–8,07%) und 1994 (–6,78%). Im Minus waren ausserdem die Jahre 2018 (–3,27%), 2002 (–2,59%), 2011 (–2,52%), 2020 (–1,66%) und 2006 (–0,88%).
In den neun Jahren mit einer Negativperformance per Mitte Juni ergab sich siebenmal eine negative Jahresrendite: 2008 (–34,05%), 2001 (–22,03%), 2002 (–25,95%), 2018 (–8,57%), 2011 (–7,72%), 2016 (–1,41%) und 2016 (–1,41%). Nur zweimal (2020: +3,82%, 2006: +20,67%) schloss das Börsenjahr positiv ab.
Das folgende Diagramm zeigt (aufsteigend) Jahr für Jahr die Mitte-Juni-Performance (dunkelrot bzw. dunkelgrün) und die jeweilige Jahres-Performance (hellrot bzw. hellgrün):
Nimmt man das «Omen» auf Basis der ersten 113 bis 116 Börsentage zum Nennwert, sind die Perspektiven für das Börsenjahr 2022 ausgesprochen düster. In den Jahren mit einer negativen Mitte-Juni-Performance verdoppelten sich im Schnitt die Verluste bis Ende Jahr!
Am Freitag, 17. Juni 2022, schloss der SPI mit 13'460.41 Punkten. Gemessen am «neutralen» Wert (Mittelwert) meines Trendkanals von aktuell 13'478.08 SPI-Punkten ist der CH-Aktienmarkt «fair» bewertet!
Der Erwartungswert per 31.12.2022 beträgt 14'039.85 Punkte. Ausgehend von der aktuellen Notierung (13'460.41) entspräche dies einem Plus von 4,30%. Fürs ganze Jahre ergäbe sich ein (Jahres)Verlust von (–)14,62%. Die Wahrscheinlichkeit (WS) einer Jahresschlussnotierung von mehr als 16'000 Punkten rechnet sich mit rund 20%. Eine WS von ebenfalls rund 20% hat eine Jahresschlussnotierung von weniger als 12'000 Punkten.
Der Erwartungswert per 31.12.2026 – das entspricht einem Anlagehorizont von 4.54 Jahren – beträgt gut 19'000 (19'005.58) Punkte. Ausgehend von der aktuellen Notierung (13'460.41), rechnet sich so eine mittlere Jahresrendite (Total Return) von 7,90%. Die theoretische WS, diese Rendite zu verfehlen bzw. zu übertreffen, beträgt rund 50%. Die WS einer Negativperformance (Minusrendite) beträgt gut ein Sechstel (ca. 17%).
Wie bereits gesagt, signalisiert mein Trendkanal-Aktienbarometer eine faire Bewertung. Dennoch: Korrekturen von (–)20% und mehr sind auf diesem Niveau durchaus möglich.
Zwischenergebnis: Mit einem mittleren bis sehr langen Anlagehorizont dürfen CH-Aktienmarktinvestoren mit einer mittleren Jahresrendite (Total Return) von gegen 8% rechnen. Diese Perspektive basiert auf der Annahme, dass der CH-Aktienmarkt aktuell «fair» bewertet ist und sich das Trendkanal-Wachstum von 7,865% fortsetzt.
Aber - wie gesagt: Das ist die lange Sicht. Jetzt alles auf eine Karte zu setzen bzw. voll investiert zu sein, ist wohl ziemlich wagemutig.
Aufgrund der Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate rechnet sich per 17.06.2022 ein Markt-P/E (Markt-KGV) von 15.90. Entsprechend wird am CH-Aktienmarkt im Schnitt rund 15.9-mal der erwartete Gewinn bezahlt. Gemessen am mittleren P/E (KGV) von rund 16.0, erscheint der CH-Aktienmarkt «fair» bewertet!
Offen gestanden, traue ich den aktuellen Gewinnerwartungen nach wie vor nicht (siehe Aktienbarometer von Mitte Mai). Ich halte sie für übertrieben. Sind die Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate – sie betragen derzeit 846.50 Indexpunkte – auch nur 10% zu hoch, wären wir bei einem Forward P/E von rund 17.7 und mithin bei einem Korrekturpotential (hin zu einem KGV von 16.0) gegen (–)10%.
Unterstellt man ein nachhaltiges Markt-P/E (Markt-KGV) für den Aktienmarkt Schweiz von 16.0, ergibt sich per 17.06.2022 ein «fairer» Indexstand für den SPI von 13'544.00 Punkten. Basierend auf einer Standardabweichung von 3,2 P/E-Punkten rechnet sich für den SPI mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 68% eine Bandbreite von 10'835.20 bis 16'252.80 Punkten.
Eine Korrektur auf die untere Bandbreite, d.h. von 13'460.41 auf 10'835.20 entspräche einem Einbruch von (–)19,50%.
Zwischenergebnis: Gemessen an den – womöglich zu hohen – Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate, erscheint der Aktienmarkt Schweiz nach wie vor korrekturanfällig. Mit einem Anlagehorizont von ein paar Monaten bis zu zwei, drei Jahren ist bis auf Weiteres hohe Wachsamkeit angesagt.
Gleitende Durchschnitte (Moving Average, MAV) sind die vielseitigsten und am häufigsten benutzten technischen Indikatoren. Sie zeigen, ob ein Trend noch intakt ist oder ob ein alter durch einen neuen Trend abgelöst wird. Oft werden Kreuzpunkte der 20-, 50- oder 200-Tage-Linien als Kauf- bzw. Verkaufssignale genutzt. Am 07. März 2022 hat die 50-Tage-Linie (MAV 50) die 200-Tage-Linie (MAV 200) von oben nach unten durchstossen. Das entspricht einem «Todeskreuz» (Death Cross) und kann bedeuten, dass die Haussephase, ausgelöst am 09. Juli 2020, definitiv in eine Baisse-Phase gedreht hat.
Mit 19,86% ist die 20-Tage-Volatilität zurzeit erstaunlich tief. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die jüngste Korrektur – anders als beim «Corona-Crash» – schubweise ablief.
Widerstands-/Unterstützungslinien beobachte ich besonders aufmerksam. Die im Kommentar von Mitte Mai thematisierte erste Unterstützung bei rund 13'500 SPI-Punkten haben wir inzwischen erreicht. Sollte diese Unterstützung nicht halten, lässt sich charttechnisch eine nächste Unterstützung von rund 12'000 SPI-Punkten ausmachen. Sollte auch dieser «Damm» brechen, könnte die Talfahrt erst bei 10'000 SPI-Punkten zu stehen kommen.
Die lange und die mittlere Sicht lassen wieder etwas Optimismus aufkommen. Jetzt alles auf eine Karte zu setzen bzw. voll investiert zu sein, ist allerdings kaum angebracht. Es gibt noch zu viele Brandherde (Ukraine-Krieg, wieder ansteigende Corona-Zahlen, Inflations- und Rezessionsängste, Immobilienkorrektur infolge stark steigender Hypothekarzinssätze, usw.), die das Potenzial für einen Flächenbrand haben.
An meiner eigenen «Strategie» (40% CH-Aktien, 60% Liquidität) halte ich nach wie vor fest. MIt einem Buchverlust von derzeit 10% bis 11% auf meinen mehrheitlich defensiven Titeln kann ich einigermassen leben. Die alles in allem schönen Netto-Dividenden, zusammen mit Erträgen aus (zwischenzeitlich ungeschickten!) Absicherungen mittels Short-Mini-Futures, haben den Verlust bisher um rund die Hälfte «kompensiert».
Zizers, 20./21. Juni 2022
Voraussichtlich nächstes Update: Anfang Oktober 2022