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Lesen Sie zunächst die einführenden Erläuterungen zum Aktienbarometer Schweiz!
Zizers, 15.05.2022
Max Lüscher-Marty
Meine Einschätzungen verstehen sich als Beitrag zur Meinungsbildung – nicht mehr, aber hoffentlich auch nicht weniger. Finanzmärkte im Allgemeinen und Aktienmärkte im Besonderen verhalten sich zu oft wie ungezogene Kinder. Sie halten sich nicht gerne an Regeln, auch wenn diese zuweilen durchaus vernünftig erscheinen.
Ich halte mich im Folgenden konsequent an den Swiss Performance Index (SPI). Der SPI ist bekanntlich ein Total Return Index und umfasst alle (rund 215) an der SIX primär kotierten Aktien (ohne Investmentgesellschaften). Er zeigt die Entwicklung des Aktienmarktes Schweiz unter der Annahme, dass die geleisteten Bruttodividenden unmittelbar reinvestiert werden.
Mit 16'552.36 Punkten hat der Swiss Performance Index (SPI) am 28. Dezember 2021 sein bisheriges Allzeithoch erreicht. Bis zum 13. Mai 2022 (Schlusskurs: 14'982.04) hat der SPI 1'570.32 Punkte abgegeben. Das entspricht einem Minus von (–)9,49%. Gemessen am Jahresschlusskurs 2021 von 16'444.52 Punkten, rechnet sich ein Verlust (YTD) von (–)8,89%.
Der Verlust (YTD) von (–)8,89% per Mitte Mai ist der höchste seit Lancierung des SPI. Verluste (YTD) per Mitte Mai von mehr als (–)5,00% gab es zuvor in den Jahren 2020 (–7,68%), 2001 (–7,22%), 2008 (–6,89%), 1994 (–6,05%) und 2016 (–5,75%). Leicht im Minus waren die Jahre 1990 (–1,73%) und 2018 (–0,31%).
In den sieben Jahren mit einer Negativperformance per Mitte Mai ergab sich sechsmal eine negative Jahresrendite: 2008 (–34,05%), 2001 (–22,03%), 1990 (–20,17%), 2018 (–8,57%), 1994 (–7,62%) und 2016 (–1,41%). Nur einmal (2020: +3,82%) schloss das Börsenjahr positiv ab.
Nimmt man das «Omen» auf Basis der ersten 90 bis 93 Börsentage zum Nennwert, sind die Perspektiven für das Börsenjahr 2022 ausgesprochen düster (mittlere Jahresperformance: –12,62%!).
Am Freitag, 13. Mai 2022, schloss der SPI mit 14'982.04 Punkten. Gemessen am «neutralen» Wert (Mittelwert) meines Trendkanals von aktuell 13'382.01 SPI-Punkten, entspricht dies einer «Überbewertung» von 11,96%. Das unmittelbare Korrekturpotenzial – hin zur Trendkanalmitte – rechnet sich mit (–)10,68%.
Der Erwartungswert per 31.12.2022 beträgt 14'039.85 Punkte. Ausgehend von der aktuellen Notierung (14'982.04) entspräche dies einem Verlust von (–)6,29%. Fürs ganze Jahre ergäbe sich ein (Jahres)Verlust von (–)14,62%. Die Wahrscheinlichkeit (WS) einer Jahresschlussnotierung von mehr als 16'000 Punkten rechnet sich mit rund 20%. Eine WS von ebenfalls rund 20% hat eine Jahresschlussnotierung von weniger als 12'000 Punkten.
Der Erwartungswert per 31.12.2026 – das entspricht einem Anlagehorizont von 4.63 Jahren – beträgt gut 19'000 (19'005.58) Punkte. Ausgehend von der aktuellen Notierung (14'982.04), rechnet sich so eine mittlere Jahresrendite (Total Return) von 5,27%. Die theretische WS, diese Rendite zu verfehlen, beträgt gut ein Drittel (ca. 38%). Die WS einer Negativperformance (Minusrendite) beträgt gut ein Sechstel (ca. 17%).
Mit einem unmittelbaren Korrekturpotenzial von (–)10,68% signalisiert mein Trendkanal-Aktienbarometer keine allzu starke Überbewertung. Dennoch: Korrekturen von (–)20% und mehr sind auf diesem Niveau durchaus möglich.
Zwischenergebnis: Mit einem Anlagehorizont bis Ende 2026 – das sind 4.63 Jahre – dürfen CH-Aktienmarktinvestoren mit einer mittleren Jahresrendite (Total Return) von gut 5% (5,27%) rechnen. Mit einem Anlagehorizont bis Ende 2031 – das sind 9.63 Jahre – sind es gar mehr als 6,5% (6,61%). Das sind keine schlechten Perspektiven. Wer wirklich langfristig unterwegs ist, lässt sich von zwischenzeitlichen Korrekturren von bis zu (–)55% nicht aus der Fassung bringen. So geschehen (siehe Diagramm ganz oben) vom 23.08.2000 bis zum 12.03.2003 (–54,88%) und vom 06.06.2007 bis zum 09.03.2009 (-53,25%).
Aufgrund der Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate rechnet sich per 13.05.2022 ein Markt-P/E (Markt-KGV) von 17.59. Entsprechend wird am CH-Aktienmarkt im Schnitt rund 17.6-mal der erwartete Gewinn bezahlt. Gemessen am mittleren P/E (KGV) von rund 16.0, ist der CH-Aktienmarkt zurzeit (13.05.2022) rund 10% (9,94%) zu «teuer». Das unmittelbare Korrekturpotential – hin zu einem mittleren KGV von 16.0 – rechnet sich mit rund (–)9% (–9,04%).
Ende August 2020 rechnete sich für den Aktienmarkt Schweiz ein P/E von 22.69. Das konnte als deutliche Überbewertung interpretiert werden. Nichtsdestotrotz hat der Aktienmarkt Schweiz vom 31. 08.2020 bis zum 28.12.2021 um fast 30% (29,71%) zugelegt. Hauptgrund dafür waren die Monat für Monat (noch stärker) gestiegenen Gewinnerwartungen der Finanzanalysten.
Offen gestanden, traue ich den aktuellen Gewinnerwartungen nicht wirklich. Ich halte sie für übertrieben. Sind die Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate – sie betragen 851.6 Indexpunkte – auch nur 10% zu hoch, wären wir bei einem Forward P/E von rund 19.5 und mithin bei einem Korrekturpotential (hin zu einem KGV von 16.0) von 18%.
Unterstellt man ein nachhaltiges Markt-P/E (Markt-KGV) für den Aktienmarkt Schweiz von 16.0, ergibt sich per 13.05.2022 ein «fairer» Indexstand für den SPI von 13'625.60 Punkten. Basierend auf einer Standardabweichung von 3,2 P/E-Punkten rechnet sich für den SPI mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 68% eine Bandbreite von 10'900.48 bis 16'350.72 Punkten.
Eine Korrektur auf die untere Bandbreite, d.h. von 14'982.04 auv 10'900.48 entspräche einem Einbruch von (–)27,24%!.
Zwischenergebnis: Gemessen an den – womöglich zu hohen – Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate, erscheint der Aktienmarkt Schweiz nach wie vor ausgesprochen korrekturanfällig. Mit einem Anlagehorizont von ein paar Monaten bis zu zwei, drei Jahren ist hohe Wachsamkeit angesagt.
Gleitende Durchschnitte (Moving Average, MAV) sind die vielseitigsten und am häufigsten benutzten technischen Indikatoren. Sie zeigen, ob ein Trend noch intakt ist oder ob ein alter durch einen neuen Trend abgelöst wird. Oft werden Kreuzpunkte der 20-, 50- oder 200-Tage-Linien als Kauf- bzw. Verkaufssignale genutzt. Am 07. März 2022 hat die 50-Tage-Linie (MAV 50) die 200-Tage-Linie (MAV 200) von oben nach unten durchstossen. Das entspricht einem «Todeskreuz» (Death Cross) und kann bedeuten, dass die Haussephase, ausgelöst am 09. Juli 2020, definitiv in eine Baisse-Phase gedreht hat.
Mit 15,98% ist die 20-Tage-Volatilität zurzeit erstaunlich tief. Das könnte sich allerdings rasch wieder ändern. Brandherde gibt es derzeit mehr als uns lieb ist.
Widerstands-/Unterstützungslinien beobachte ich notabene besonders aufmerksam. Bei einer allfälligen Fortsetzung der jüngsten Talfahrt läge ein erste Unterstützung bei rund 13'500 Punkten, die nächst tiefere Unterstützung bei rund 10'000 SPI-Punkten (so weit wird es hoffentlich nicht kommen).
Ich lasse meine Zusammenfassung von Mitte Februar stehen:
«Die lange, die mittlere und die kurze Sicht lassen nicht viel Optimismus aufkommen. Wer sich jetzt neu engagiert, tut gut daran, die Aktienauswahl besonders minutiös anzugehen. Im Sinne von Warren Buffett muss sorgfältig abgewogen werden, ob Preis und Wert auch wirklich im Einklang sind. Einfach mittels ETFs auf Indizes zu setzen, erachte ich aktuell als nicht besonders klug.»
An meiner eigenen «Strategie» (40% CH-Aktien, 60% Liquidität) ändere ich – gerade im jetzigen Umfeld – nichts: Ich fokussiere mich auf Dividendentitel und/oder Titel mit tiefen Betas, ergänzt um zwei, drei zukunftsträchtige Valoren aus dem Mid-Cap-Segement. Zwischenzeitliche Erholungen nutze ich für eine Absicherung mittels Short-Mini-Futures –beileibe nicht immer erfolgreich; aber unter dem Strich sind doch ein paar Franken im Trockenen.
Zizers, 15./16. Mai 2022
Voraussichtlich nächstes Update: Mitte August 2022