Für Erstbesucher

Lesen Sie zunächst die einführenden Erläuterungen zum Aktienbarometer Schweiz!

Zizers, 14. Februar 2023

Max Lüscher-Marty

Vorbemerkung

Meine Einschätzungen verstehen sich als Beitrag zur Meinungsbildung – nicht mehr, aber hoffentlich auch nicht weniger. Finanzmärkte im Allgemeinen und Aktienmärkte im Besonderen verhalten sich zu oft wie ungezogene Kinder. Sie halten sich nicht gerne an Regeln, auch wenn diese zuweilen durchaus vernünftig erscheinen.

Ich halte mich im Folgenden an den Swiss Performance Index (SPI). Der SPI ist ein Total Return Index und umfasst alle (rund 215) an der SIX primär kotierten Aktien (ohne Investmentgesellschaften). Er zeigt die Entwicklung des Aktienmarkts Schweiz unter der Annahme, dass die geleisteten Bruttodividenden unmittelbar reinvestiert werden.

Aktienmarkt Schweiz gewinnt bis zum 10. Februar 4,38%!

Am Freitag, 30. Dezember 2022, schloss der Swiss Performance Index (SPI) mit 13'734.86 Punkten. Damit endete das Börsenjahr 2022 mit einem satten Minus von (–)16,48%. 11 Börsentage später, am Dienstag, 17. Januar 2023, erreichte der SPI ein zwischenzeitliches Höchst von 14'697.55 Punkten und machte damit mehr als 40% (42,53%) des Vorjahresverlusts wieder wett. Auch wenn der SPI in der Folge wieder etwas schwächelte: Die Januarperformance von 5,50% war die fünftbeste in der Geschichte des SPI (1997: 8,37%, 2013: 8,33%, 1994: 7,49%, 2019: 6,41%, 1998: 5.06%). Bis zum 10. Februar 2023 bleibt immer noch ein schönes Plus von 4,38%.

aktienbarometer Schweiz per 10.02.2023: Die lange Sicht

Am Freitag, 10. Februar 2023, schloss der SPI mit 14'337.02 Punkten. Das sind bloss 170.03 Punkte bzw. 1,20% über dem «neutralen» Wert (Mittelwert) meines Trendkanals von aktuell 14'166.99 SPI-Punkten.

Das Korrekturpotential, hin zum «neutralen» Wert (Mittelwert), rechnet sich mit 1,19%. Für langfristig orientierte Aktieninvestoren ist das eine ziemlich passable Ausgangslage. Wie wir weiter unten sehen werden, befinden wir uns aber an einem Scheideweg. Das ergibt sich sowohl aus einer mittleren als auch auch aus einer kurzen Perspektive. Alles auf eine Karte zu setzen, ist deshalb zurzeit fast sicher falsch. Für den Auf- oder Ausbau eines CH-Aktienportfolios ist ein schrittweises (etappiertes) Vorgehen – mit einer grossen Liquiditätsreserve – nach wie vor die passendste Taktik. 

    aKTIENBAROMETER sCHWEIZ PER 10.02.2023: Die mittlere Sicht

    Aufgrund der Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate rechnet sich per 10.02.2023 ein Markt-P/E (Markt-KGV) von 19.55. Entsprechend wird am CH-Aktienmarkt im Schnitt rund 19.5-mal der erwartete Gewinn bezahlt. Gemessen am mittleren P/E (KGV) von rund 16.0, ist der CH-Aktienmarkt gut 20% (22,19%) überbewertet. Ganz so schlimm wird es wohl nicht sein. Ein Grund dafür ist der «Credit-Suisse-Effekt», der die erwartete Gewinnsumme des CH-Aktienmarktes merklich schmälert.

      Unterstellt man ein nachhaltiges Markt-P/E (Markt-KGV) für den Aktienmarkt Schweiz von 16.0, ergibt sich per 10.02.2023 ein «fairer» Indexstand für den SPI von 11'731.46 Punkten. Basierend auf einer Standardabweichung von 3.2 P/E-Punkten rechnet sich für den SPI mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 68% eine Bandbreite von 9'385.17 bis 14'337.02 Punkten.

        Um den aktuellen Stand des SPI (14'337.02 per 10.02.2023) zu rechtfertigen, braucht es Unternehmensergebnisse, die im Schnitt um rund 20% höher ausfallen als heute erwartet.  Das ist ziemlich viel. Denkbar ist aber auch, dass die Analysten etwas zu (konjunktur)pessimistisch sind und ausserdem den «Konjunktureffekt» überschätzen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung hält die Gleichung «schlechtes Wirtschaftsjahr gleich schlechtes Börsenjahr» – und umgekehrt – einer historischen Wertung nicht stand. Nichtestotrotz: Eine gute Portion Vorsicht und ein hautnahes Verfolgen der Unternehmens- und Wirtschaftsnachrichten hat – wie fast immer – hohe Priorität.  

        "Schlechtes Wirtschaftsjahr" ist nicht gleich "Schlechtes Aktienjahr"

        Die jährliche Veränderung des BIPreal kann das jährliche Auf und Ab des Aktienmarkts Schweiz (UBS 100 PR) nicht erklären. Für die letzten 73 Jahre (31.12.1948 bis 31.12.2021) ergibt sich kein statistischer Zusammenhang. In 33 von 73 Jahren weisen die CH-Aktienmarktrendite (ohne Dividendenreinvestition) und das reale BIP-Wachstum unterschiedliche Vorzeichen auf. In lediglich 40 Jahren – das sind 54,80% – performten sowohl das BIP-real als auch die CH-Aktienbörse positiv. Kein Jahr mit negativem Wirtschaftswachstum führte an der CH-Aktienbörse zu einem Minus.

          Wir dürfen festhalten: Auch wenn die Schweizer Wirtschaft 2023 teuerungsbereinigt verlieren sollte, kann es sehr gut sein, dass der Aktienmarkt Schweiz gewinnt.

          aKTIENBAROMETER sCHWEIZ PER 10.02.2023: dIE KURZE sICHT

          Gleitende Durchschnitte (Moving Average, MAV) sind die vielseitigsten und am häufigsten benutzten technischen Indikatoren. Sie zeigen, ob ein Trend noch intakt ist oder ob ein alter durch einen neuen Trend abgelöst wird. Oft werden Kreuzpunkte der 20-, 50- oder 200-Tage-Linien als Kauf- bzw. Verkaufssignale genutzt.

          Wie das folgende Diagramm zeigt, hat am 26. Januar 2023 die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie von unten nach oben durchstossen. Man spricht von einem «goldenen Kreuz» (golden cross). Das ist ein Hinweis darauf, dass der Abwärtstrend beendet sein könnte und einem Aufwärtstrend Platz macht. Ob das Signal offen bleibt, wird sich weisen. Ein wenig Optimismus ist zumindest angebracht.

            Etwas Hoffnung auf eine definitive Trendwende machen auch die Fibonacci-Retracements (siehe die Erläuterungen im Anschluss an die Zusammenfassung). Ob der Trendbruch definitiv gelingt, wird sich womöglich an der Marke von 14'703.88 SPI-Punkten entscheiden. Wird diese Marke nach oben durchbrochen, wären 50% des Kursverlusts vom letzten Hoch (16'610.35) zum letzten Tief (12'797.41) überwunden. Nächstes Kursziel wäre die Marke von 15'153.81 SPI-Punkten. Gelingt der Durchbruch nicht, ergäbe sich bei rund 14'250 (14'253.95) SPI-Punkten eine erste und bei rund 13'700 (13'697.26) SPI-Punkten eine zweite Unterstützung. 

              Zusammenfassung

              Aus einer langen Optik (Trendkanal-Konzept) ist der Aktienmarkt Schweiz weder zu teuer noch zu billig. Wer ein CH-Aktienportfolio auf- oder ausbauen will, tut dies auf einem valablen Niveau.

              Aus einer mittleren Optik (KGV-Konzept) rechtfertigen die Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate das aktuelle Niveau nicht. Es braucht Unternehmensergebnisse, die im Schnitt rund 20% besser ausfallen als heute erwartet.  Womöglich herrscht aber bei den Analysten zuviel Konjunkturpessimismus. Kommt dazu: Die Gleichung «schlechtes Wirtschaftsjahr gleich schlechtes Börsenjahr» hält einer historischen Wertung nicht stand.

              Aus einer kurzen Optik leuchten durchaus einige Hoffnungsschimmer. Zum einen ist es das «Goldene Kreuz», zum anderen das nahe 50%-Fibonacci-Retracement. Bitter nötig ist allerdings die Wiederangewöhnung an ein «normales Zinsgefüge» mit Bondrenditen (Verfallrenditen) und Hypothekarzinsen von 2,5% und (deutlich) mehr. Unabwägbar und beängstigend ist und bleibt der Ukraine-Krieg. 

              An meiner eigenen «Strategie» (40% CH-Aktien, 60% Liquidität) halte ich «eisern» fest. Momentan ist der Aktienanteil allerdings etwas höher. Mit sehr dosiertem Einsatz von Short-Mini-Futures versuche ich, kleinere oder grössere Rückschläge gewinnbringend (verlustmindernd) zu nutzen. Zukäufe von Value-Titeln behalte ich stets im Auge.

              Zizers, 14. Februar 2023

              fiBonacci-Retracements kurz erklärt

              Fibonacci-Retracement-Levels werden in der Technischen Analyse verwendet, um Unterstützungs- und Widerstandspunkte zu orten. Grundidee ist die simple Feststellung, dass auf jeden Aufwärtstrend (Bullenmarkt) und jeden Abwärtstrend (Bärenmarkt) über kurz oder lang eine Gegenbewegung (Korrektur) folgt. Um das Ausmass dieser Gegenbewegungen abzuschätzen, greifen Techniker gerne auf die Fibonacci-Zahlenreihe zurück. Begründer dieser Zahlenreihe ist Leonardo Pisano (ca. 1170 bis ca. 1240), genannt Fibonacci, der wohl bedeutendste Mathematiker des Mittelalters.

              Die Fibonacci-Zahlenreihe beginnt wie folgt: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, usw. Dabei gilt: 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, 5+8=13, 8+13=21, 13+21=34, usw. Das Besondere an dieser Zahlenfolge ist, dass sie mit einem praktisch konstanten Faktor von 1.618 wächst (21÷13=1.615, 89÷55 =1.618, 144÷89=1.618, 233÷144=1.618, usw.). Auch die Division der kleineren durch die grössere Zahl ergibt einen praktisch konstanten Wert von 0.618 (55÷89= 0.618, 89÷144=0.618, usw.). Teilt man eine Fibonacci-Zahl durch die vorletzte (z.B. 144÷55), rechnet sich jeweils ein Wert von ziemlich genau 2.618. Der reziproke Wert davon ist 0.382 (z.B. 55÷144).

              Das Ausmass der Korrekturen nach einem Abwärtstrend (siehe das Diagramm mit den Fibonacci-Retracements) wird wie folgt bestimmt: L + (H – L) x Fibonacci-Verhältniszahl. H steht für das zwischenzeitliche Höchst und L für das zwischenzeitliche Tiefst. Oft verwendete Fibonacci-Verhältniszahlen sind 0.382, 0.500 (als Zwischenwert) und 0.618.

              Bestimmt man für den Swiss Performance Index (SPI) das jüngste Tiefst mit 12'797.41 und das letzte Höchst mit 16'610.35 Punkten, ergibt sich das Retracement-Level bei einer Verhältniszahl von 0.382 wie folgt: 12'797.41 + ((16'610.35 – 12'797.41) x 0.382) = 14'253.95. Die Retracement-Levels bei einer Verhältniszahl von 0.500 bzw. 0.618 sind 14'703.88 bzw. 15'153.81.

              Das 50%-Niveau gilt als eines der wichtigsten Niveaus. Wird es durchbrochen, ist mit einer Fortsetzung des Auf- bzw. Abwärtstrends zu rechnen.

              Zizers, 14. Februar 2023

                Voraussichtlich nächstes Update: 01. Mai 2023