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Lesen Sie zunächst die einführenden Erläuterungen zum Aktienbarometer Schweiz!
Zizers, 06. Juni 2024
Max Lüscher-Marty
Meine Einschätzungen verstehen sich als Beitrag zur Meinungsbildung – nicht mehr, aber hoffentlich auch nicht weniger. Finanzmärkte im Allgemeinen und Aktienmärkte im Besonderen verhalten sich zu oft wie ungezogene Kinder. Sie halten sich nicht gerne an Regeln, auch wenn diese zuweilen durchaus vernünftig erscheinen.
Ich halte mich im Folgenden an den Swiss Performance Index (SPI). Der SPI ist ein Total Return Index und umfasst alle (rund 215) an der SIX primär kotierten Aktien (ohne Investmentgesellschaften). Er zeigt die Entwicklung des Aktienmarkts Schweiz unter der Annahme, dass die geleisteten Bruttodividenden unmittelbar reinvestiert werden.
2023 schloss der SPI mit 14'571.23 Punkten und einer Jahresrendite 2023 von 6,09%. Am Freitag, 31. Mai 2024, notierte der SPI bei Börsenschluss mit 15'992.27 Punkten und mithin 1'421.04 Punkte bzw. 9,75% höher als fünf Monate zuvor. In den 36 «Vollzeitjahren» des SPI weisen nur 10 Jahre eine höhere Zwischenrendite (YTD) aus, allen voran die Jahre 1997 (27,22%), 1998 (23,75%) und 1991 (23,68%)! Zwischenrenditen (Ende Vorjahr bis Ende Mai) von mehr als 10% gab es ausserdem in den Jahren 2013 (19,15%), 2019 (17,44%), 1992 (14,32%), 2017 (14,31%), 1993 (14,17%), 2007 (10,87%) und 2021 (10,06%).
Wie ist die Zwischen-Performance (YTD) von 9,75% per Ende Mai einzuordnen und was darf aus historischer Sicht bis Ende Jahr erwartet werden? Mögliche Hinweise darauf liefern einerseits die Jahresendrenditen der Top-Jahre und andererseits die mittleren SPI-Monatsrenditen für die Jahre 1988 bis 2023.
Die Schlussrenditen (Jahresrenditen) der zehn Top-Jahre schüren durchaus Hoffnungen auf ein überdurchschnittliches Börsenjahr 2024. In sieben von zehn Jahren lag die Jahres-Schlussrendite höher als die Zwischenrendite per Ende Mai. So legte der SPI im Jahr 1997 von Ende Mai bis Ende Dezember nochmals um 27.97 Prozentpunkte zu, von 27,22% auf 55,19%. Im Jahr 1993 ergab sich gar ein Plus von 36.64 Prozentpunkten, von 14,17% auf 50,81%. Rückschläge ergaben sich dagegen in den Jahren 1991 (minus 7.77 Prozentpunkte), 1998 (minus 8.38 Prozentpunkte) und 2007 (minus 10.92 Prozentpunkte). Im Schnitt erreichten die zehn Top-Jahre eine Jahresrendite von 25,34%. Ein Jahr (2007) schloss leicht im Minus (–0,05%).
Ein weniger optimistisches Bild gibt der Vergleich mit den mittleren SPI-Monatsrenditen bzw. mit dem mittleren Jahresverlauf des SPI (siehe das nachstehende Diagramm). Mit einer Zwischenrendite von 9,75% ist das Rendite-Pulver womöglich bereits verschossen. Wie die Börsengeschichte lehrt, überzeugt von den «Sommermonaten» eigentlich nur der Juli. Spätestens Ende Juli stellt sich dann die Frage, ob der eine oder andere Gewinn realisiert oder eine zwischenzeitliche Absicherung ins Auge gefasst werden sollte.
Am Freitag, 31. Mai 2024, schloss der SPI mit 15'992.27 Punkten. Das sind 366.47 Punkte bzw. 2,35% (15'992.27÷15'625.80 –1) über dem «neutralen» Wert (Mittelwert) meines Trendkanals von aktuell 15'625.80 SPI-Punkten. Mit anderen Worten: Gemessen am Trendkanal-Konzept ist der CH-Aktienmarkt leicht überbewertet. Der Erwartungswert (Mittelwert) meines Trendkanals per Ende Jahr (31.12.2024) beträgt 16'340.04 SPI-Punkte.
Das folgende Diagramm bestätigt den Befund eines leicht überbewerteten CH-Aktienmarkts. Das aktuelle (unmittelbare) Korrekturpotential hin zum Mittelwert rechnet sich mit 2,26% (15'625.80÷15'992.27 – 1).
Wer wirklich langfristig denkt, darf durchaus zuversichtlich in die Zukunft blicken. Wie der obige Chart zeigt, braucht es aber auch auf diesem Niveau zuweilen gute Nerven!
Die bisherigen Ausführungen basieren ausschliesslich auf der Analyse und Interpretation historischer Datenreihen. Sie blenden das aktuelle/erwartete wirtschaftliche und politische Umfeld aus. Mit dem leicht nachvollziehbaren P/E- bzw. KGV-Konzept bringe ich einen Aspekt der fundamentalen Sicht ins Spiel.
Aufgrund der Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate rechnet sich per Ende Mai 2024 ein Markt-P/E (Markt-KGV) von 19.60. Entsprechend wird am CH-Aktienmarkt im Schnitt 19.60-mal der erwartete Gewinn bezahlt. Gemessen am mittleren P/E (KGV) von rund 16.0, ist der CH-Aktienmarkt 22,50% «zu teuer». Das Korrekturpotenzial, hin zu einem mittleren KGV von 16.0, beträgt gut 18% (16.00/19.60 –1 = –18,37%)!
Unterstellt man ein nachhaltiges Markt-P/E (Markt-KGV) für den Aktienmarkt Schweiz von 16.0, ergibt sich per 31. Mai 2024 ein «fairer» Indexstand für den SPI von 13'057.60 Punkten. Basierend auf einer Standardabweichung von 3.2 P/E-Punkten, rechnet sich für den SPI mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 68% eine Bandbreite von 10'446.08 bis 15'992.27 Punkten. Wie ersichtlich, ist der SPI nach oben ausgeschert.
Die mittlere Sicht auf Basis des KGV-Konzepts deutet an, dass die Gewinnerwartungen (Konsens-Schätzungen) das aktuelle Niveau des CH-Aktienmarkts nicht wirklich rechtfertigen. Die Konsens-Schätzungen entsprechen notabene den mittleren Gewinnerwartungen der analysierten SPI-Unternehmen.
Kreuzpunkte zwischen der 50- und der 200-Tage-Linie, 20-Tage-Volatilität
Gleitende Durchschnitte (Moving Average, MAV) sind die vielseitigsten und am häufigsten benutzten technischen Indikatoren. Sie zeigen, ob ein Trend noch intakt ist oder ob ein alter durch einen neuen Trend abgelöst wird.
Im Rahmen von Gesamtmarktanalysen hat die 50/200-Crossover-Regel einen hohen Stellenwert. Kreuzt die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie von unten nach oben – man spricht vom Goldenen Kreuz (Golden Cross) – ist ein Baisse-Trend zu Ende und es bahnt sich eine Hausse an. Umgekehrt (50-Tage-Linie durchstösst die 200-Tage-Linie von oben nach unten) spricht man von einem Todeskreuz (Death Cross).
Die aktuelle Hausse wurde am 07. Februar 2024 durch ein «Golden Cross» bestätigt. In der Folge hat sich der SPI mehr und mehr vom 200-Tage-Durchschnitt entfernt. Aktuell (31.05.2024) beträgt der Abstand (hohe) 1'303.42 Punkte. Gleichzeitig notiert die 20-Tage-Volatilität mit (tiefen) 9,75%. Dieser Mix ist alleweil «gut» für eine kleinere oder grössere Gegenbewegung (Korrektur).
Bollinger-Bänder
Um die gleitenden Durchschnittslinien, etwa auf Basis der letzten 20, 50 oder 200 Tage, lassen sich Bänder mit konstanten oder variablen Bandbreiten legen. Bewegungen des Basiswerts über das obere bzw. das untere Band hinaus signalisieren ein Über- bzw. Unterschiessen (overbought bzw. oversold). Ein besonders interessanter Ansatz sind die Bollinger-Bänder (siehe die Rubrik «kurz erklärt» weiter unten):
Per 31. Mai 2024 notiert der SPI leicht ausserhalb der oberen (grünen) Bollinger-Linie. Das deutet auf einen überkauften Markt (overbought) hin und mahnt zur Vorsicht. Was für alle Indikatoren (technisch oder fundamental) gilt, trifft auch hier zu: Signale funktionieren zuweilen gut und zuweilen auch nicht. Wenn man das obige Diagramm näher anschaut, funktionier(t)en die Wiedereinstiegs-Signale (oversold) erstaunlich gut. Die Ausstiegs-Signale (overbought) kamen dagegen mehr als einmal zur Unzeit.
Fibonacci-Retracements
Seit dem jüngsten Tiefst vom 23. Oktober 2023 (13'451.76) befindet sich der SPI im Aufwärtstrend. Zwischenzeitlicher Ermüdungserscheinungen zum Trotz hat der SPI nach und nach jede Fibonacci-Marke hinter sich gelassen. Gut möglich, dass der SPI im Juni/Juli auch noch die nächste Marke von rund 16'250 Punkten testen wird. Danach (Juli/August) wäre der SPI wohl «gut» für eine Korrektur in Richtung 15'300 oder gar 14'900 Punkte.
Aus einer langen Optik (Trendkanal-Konzept) ist der Aktienmarkt Schweiz leicht überbewertet. Wer wirklich langfristig denkt, darf darüber hinweg sehen.
Aus einer mittleren Optik (KGV-Konzept) sind die Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate und der aktuelle Stand des SPI nicht in Einklang. Ein P/E von 19.60 ist – gemessen am mittleren P/E von 16.00 – deutlich zu hoch. Offenbar irritiert das die Marktteilnehmer nicht. Sie rechnen wohl damit, dass die Unternehmensgewinne schon bald in die zu grossen Schuhe hineinwachsen. Damit verknüpft ist die (ungebrochene) Hoffnung auf sinkende Leitzinsen in den USA und in Europa (Euro-Raum).
Kurzfristig ist aus historischer Sicht (mittlerer Jahresverlauf) und aus charttechnischen Erwägungen (Crossover-Regel, 20-Tage-Volatilität, Bollinger-Band, Fibonacci-Retracements) bis Ende Juli noch ein «Aufwärts-Kick» möglich. Im August/September könnte sich ein Abseitsstehen lohnen. Konkret: Gewinnmitnahmen und/oder zwischenzeitliche Absicherungen mittels Put-Käufen oder Short-Mini-Futures sind womöglich zielführend.
An meiner eigenen «Strategie» (bis zu 50% CH-Aktien, mindestens 50% Liquidität bzw. Festgelder) halte ich fest, ebenso an der Favorisierung von Value-Titeln im Allgemeinen und starken Dividendentiteln im Besonderen.
Zizers, 06. Juni 2024
Um die gleitenden Durchschnittslinien, etwa auf Basis der letzten 20, 50 oder 200 Tage, lassen sich Bänder mit konstanten oder variablen Bandbreiten legen. Bewegungen des Basiswerts über das obere bzw. das untere Band hinaus signalisieren ein Über- bzw. Unterschiessen (overbought bzw. oversold).
Während Prozentbänder, so etwa ein Band von +/–10%, die Bewegungen des gleitenden Durchschnitts «eins zu eins» mitmachen, verändert sich die Bandbreite der von John Bollinger in den 1980er-Jahren entwickelten Bollinger-Bänder laufend. Massgebend ist die doppelte Standardabweichung auf der Basis der absoluten Kursentwicklung über eine bestimmte Zeitperiode (z.B. 20, 50 oder 200 Tage). Legt der Basiswertkurs mehr und mehr zu, verengt sich das Band, gibt der Basiswert stark und stärker nach, weitet sich das Band aus.
Berührt der Basiswertkurs das obere bzw. das untere Band, wird dies als Überdehnung interpretiert. Das Investment gilt als überkauft (oberes Band) bzw. als überverkauft (unteres Band). Wenn der Kurs am unteren Band abprallt und die Durchschnittslinie durchbricht, wird das obere Band zum Kursziel nach oben. Schlägt der Kurs am oberen Band an und durchstösst die Durchschnittslinie von oben nach unten, wird das untere Band zum Kursziel nach unten.
Zizers, 06. Juni 2024
Fibonacci-Retracement-Levels werden in der Technischen Analyse verwendet, um Unterstützungs- und Widerstandspunkte zu orten. Grundidee ist die simple Feststellung, dass auf jeden Aufwärtstrend (Bullenmarkt) und jeden Abwärtstrend (Bärenmarkt) über kurz oder lang eine Gegenbewegung (Korrektur) folgt. Um das Ausmass dieser Gegenbewegungen abzuschätzen, greifen Techniker gerne auf die Fibonacci-Zahlenreihe zurück. Begründer dieser Zahlenreihe ist Leonardo Pisano (ca. 1170 bis ca. 1240), genannt Fibonacci, der wohl bedeutendste Mathematiker des Mittelalters.
Die Fibonacci-Zahlenreihe beginnt wie folgt: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, usw. Dabei gilt: 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, 5+8=13, 8+13=21, 13+21=34, usw. Das Besondere an dieser Zahlenfolge ist, dass sie mit einem praktisch konstanten Faktor von 1.618 wächst (21÷13=1.615, 89÷55 =1.618, 144÷89=1.618, 233÷144=1.618, usw.). Auch die Division der kleineren durch die grössere Zahl ergibt einen praktisch konstanten Wert von 0.618 (55÷89= 0.618, 89÷144=0.618, usw.). Teilt man eine Fibonacci-Zahl durch die vorletzte (z.B. 144÷55), rechnet sich jeweils ein Wert von ziemlich genau 2.618. Der reziproke Wert davon ist 0.382 (z.B. 55÷144).
Das Ausmass der Korrekturen nach einem Abwärtstrend (siehe das Diagramm mit den Fibonacci-Retracements) wird wie folgt bestimmt: L + (H – L) x Fibonacci-Verhältniszahl. H steht für das zwischenzeitliche Höchst und L für das zwischenzeitliche Tiefst. Oft verwendete Fibonacci-Verhältniszahlen sind 0.382, 0.500 (als Zwischenwert) und 0.618.
Bestimmt man für den Swiss Performance Index (SPI) das jüngste Tiefst mit 13'451.75 und das letzte Höchst mit 15'314.62 Punkten, ergibt sich das Retracement-Level bei einer Verhältniszahl von 0.618 wie folgt: 15'314.62 – (15'314.62 –13'451.75) x 0.618) = 14'603.00. Die Retracement-Levels bei einer Verhältniszahl von 0.500 bzw. 0.382 sind 14'383.19 bzw. 14'163.37.
Das 50%-Niveau gilt als eines der wichtigsten Niveaus. Wird es durchbrochen, ist mit einer Fortsetzung des Auf- bzw. Abwärtstrends zu rechnen.
Zizers, 06. Juni 2024
Voraussichtlich nächstes Update: 12./13. August 2024