Für Erstbesucher

Lesen Sie zunächst die einführenden Erläuterungen zum Aktienbarometer Schweiz!

Zizers, 04. Mai 2023

Max Lüscher-Marty

Vorbemerkung

Meine Einschätzungen verstehen sich als Beitrag zur Meinungsbildung – nicht mehr, aber hoffentlich auch nicht weniger. Finanzmärkte im Allgemeinen und Aktienmärkte im Besonderen verhalten sich zu oft wie ungezogene Kinder. Sie halten sich nicht gerne an Regeln, auch wenn diese zuweilen durchaus vernünftig erscheinen.

Ich halte mich im Folgenden an den Swiss Performance Index (SPI). Der SPI ist ein Total Return Index und umfasst alle (rund 215) an der SIX primär kotierten Aktien (ohne Investmentgesellschaften). Er zeigt die Entwicklung des Aktienmarkts Schweiz unter der Annahme, dass die geleisteten Bruttodividenden unmittelbar reinvestiert werden.

Aktienmarkt Schweiz im volatilen auf und ab ...

Am Freitag, 30. Dezember 2022, schloss der Swiss Performance Index (SPI) mit 13'734.86 Punkten. Damit endete das Börsenjahr 2022 mit einem satten Minus von (–)16,48%. 11 Börsentage später, am Dienstag, 17. Januar 2023, erreichte der SPI ein zwischenzeitliches Höchst von 14'697.55 Punkten und machte damit mehr als 40% (42,53%) des Vorjahresverlusts wieder wett. Bis Mitte März (Tagestiefst am 15.03.: 13'616.90) war der schöne Gewinn wieder weg. Hauptgrund dafür waren die Hiobsbotschaften aus dem Bankensektor (Silicon Valley Bank, Credit Suisse). Wer in der Folge auf eine Fortsetzung der Korrektur setzte, wurde auf dem falschen Fuss erwischt. Bis zum 25.04. (Tageshöchst: 15'206.27) gewann der SPI nicht weniger als 1'589.37 Punkte (+11,67%)!

Per Ende April rechnet sich eine Performance (YTD) von 9,74%. Gemessen an der Kursgeschichte des SPI reicht dies für Rang 11 (von 36). Aber Vorsicht: Eine gute April-Performance (YTD) ist ein veritabler Kontra-Indikator. Die zehn Jahre mit der höchsten April-Performance (YTD) rentierten in der Endabrechnung ziemlich kläglich (1997: 23,20% → 7,50%, 1998: 19,48% → 21,79%, 2019: 19.38% → 4,94%, 1991: 18,21 % → –2,41%, 2013: 18,03% → 2,98%, 2017: 11,27% → 2,91%, 1992: 11,09% → 8,10%, 1996: 10,77% → 4,93%, 2007: 9,97% → –4,64%, 1989: 9,83% → –3,30%). Im Schnitt lag die Jahresperformance (4,04%) rund 11 Prozentpunkte tiefer als die mittlere Performance per Ende April (15,03%). Mit anderen Worten: Fast zwei Drittel der April-Performance (YTD) waren Ende Jahr wieder weg!

aktienbarometer Schweiz per 28.04.2023: Die lange Sicht

Am Freitag, 28. April 2023, schloss der SPI mit 15'072.98 Punkten. Das sind 678.61 Punkte bzw. 4,71% über dem «neutralen» Wert (Mittelwert) meines Trendkanals von aktuell 14'394.37 SPI-Punkten. Der Erwartungswert (Mittelwert) meines Trendkanals per Ende Jahr (31.12.2023) beträgt 15'148.64 SPI-Punkte.

Das unmittelbare Korrekturpotential, hin zum «neutralen» Wert (Mittelwert), rechnet sich mit (–)4,50%. Der Erwartungswert (Mittelwert) meines Trendkanals per Jahresende (31.12.2023) von 15'148.65 SPI-Punkten «verheisst» für die kommenden acht Monate ein kleines Plus von 0,50%.

    aKTIENBAROMETER sCHWEIZ PER 28.04.2023: Die mittlere Sicht

    Aufgrund der Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate rechnet sich per 28.04.2023 ein Markt-P/E (Markt-KGV) von 19.17. Entsprechend wird am CH-Aktienmarkt im Schnitt rund 19.2-mal der erwartete Gewinn bezahlt. Gemessen am mittleren P/E (KGV) von rund 16.0, ist der CH-Aktienmarkt fast 20% (19,81%) zu teuer.

      Unterstellt man ein nachhaltiges Markt-P/E (Markt-KGV) für den Aktienmarkt Schweiz von 16.0, ergibt sich per 28.04.2023 ein «fairer» Indexstand für den SPI von 12'583.10 Punkten. Basierend auf einer Standardabweichung von 3.2 P/E-Punkten, rechnet sich für den SPI mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 68% eine Bandbreite von 10'066.48 bis 15'099.72 Punkten.

        aKTIENBAROMETER sCHWEIZ PER 28.04.2023: dIE KURZE sICHT

        Gleitende Durchschnitte (Moving Average, MAV) sind die vielseitigsten und am häufigsten benutzten technischen Indikatoren. Sie zeigen, ob ein Trend noch intakt ist oder ob ein alter durch einen neuen Trend abgelöst wird. Oft werden Kreuzpunkte der 20-, 50- oder 200-Tage-Linien als Kauf- bzw. Verkaufssignale genutzt.

        Wie das folgende Diagramm zeigt, hat am 26. Januar 2023 die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie von unten nach oben durchstossen. Man spricht von einem «goldenen Kreuz» (golden cross). Das Signal leuchtet immer noch grün. Die recht heftige Korrektur von Mitte Januar bis Mitte März (siehe ganz oben) hat nicht ausgereicht, um das Signal auf rot zu stellen.

          Im letzten Kommentar von Mitte Februar habe ich an dieser Stelle unter anderem folgendes festgehalten:

          «Etwas Hoffnung auf eine definitive Trendwende machen auch die Fibonacci-Retracements (siehe die Erläuterungen im Anschluss an die Zusammenfassung). Ob der Trendbruch definitiv gelingt, wird sich womöglich an der Marke von 14'703.88 SPI-Punkten entscheiden. Wird diese Marke nach oben durchbrochen, wären 50% des Kursverlusts vom letzten Hoch (16'610.35) zum letzten Tief (12'797.41) überwunden. Nächstes Kursziel wäre die Marke von 15'153.81 SPI-Punkten.»

          Am 25. April (Tageshöchst: 15'206.27) hat der SPI die Marke von 15'153.81 SPI-Punkten tatsächlich kurz überschritten. Nun macht es den Anschein, als sei das Ende der Fahnenstange vorerst erreicht oder zumindest sehr nahe. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten (beharrlich hohe Inflationsraten, mögliche weitere Zinsschritte des Fed, der EZB und der SNB, sich verstärkender Konjunkturpessimismus, Ausweitung der Bankenkrise, Druck auf die Unternehmensgewinne, Ukrakrine-Krieg, Erhöhung der chinesischen Drohkulisse in Richtung Taiwan, usw.), muss man eine gröbere Korrektur ins Auge fassen.

            Zusammenfassung

            Aus einer langen Optik (Trendkanal-Konzept) ist der Aktienmarkt Schweiz moderat überbewertet. Es ist dies die Folge einer Vier-Monate-Performance (YTD) von fast 10% (9,74%). Wie die gut 35-jährige Geschichte des Swiss Performance Index lehrt, ist eine Fortsetzung des Aufwärtstrends bis Ende Jahr eher unwahrscheinlich.  

            Aus einer mittleren Optik (KGV-Konzept) rechtfertigen die Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate das aktuelle Niveau nicht. Das Korrekturpotenzial beträgt gut und gerne 20%.

            Optimisten schöpfen Zuversicht aus der Cross-Over-Regel. Die 50-Tage-Linie hält sich seit Ende Januar ungebrochen über der 200-Tage-Linie. Betrachtet man die Fibonacci-Retracements, kommt dagegen Skepsis auf. Es kann gut sein, dass die Marke von gut 15'000 SPI-Punkten derzeit und bis auf weiteres unüberwindbar ist.

            Alles in allem ist für die kommenden Monate – bei volatilem Auf und Ab – mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen.

            An meiner eigenen «Strategie» (40% CH-Aktien, 60% Liquidität) halte ich nach wie vor fest. Auch wenn mich der Einsatz von Short-Mini-Futures seit Anfang Jahr ca. 1,5% Performance gekostet hat, behalte ich deren Einsatz stets im Auge. Dasselbe gilt für Zukäufe von Value-Titeln.

            Zizers, 04. Mai 2023

            fiBonacci-Retracements kurz erklärt

            Fibonacci-Retracement-Levels werden in der Technischen Analyse verwendet, um Unterstützungs- und Widerstandspunkte zu orten. Grundidee ist die simple Feststellung, dass auf jeden Aufwärtstrend (Bullenmarkt) und jeden Abwärtstrend (Bärenmarkt) über kurz oder lang eine Gegenbewegung (Korrektur) folgt. Um das Ausmass dieser Gegenbewegungen abzuschätzen, greifen Techniker gerne auf die Fibonacci-Zahlenreihe zurück. Begründer dieser Zahlenreihe ist Leonardo Pisano (ca. 1170 bis ca. 1240), genannt Fibonacci, der wohl bedeutendste Mathematiker des Mittelalters.

            Die Fibonacci-Zahlenreihe beginnt wie folgt: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, usw. Dabei gilt: 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, 5+8=13, 8+13=21, 13+21=34, usw. Das Besondere an dieser Zahlenfolge ist, dass sie mit einem praktisch konstanten Faktor von 1.618 wächst (21÷13=1.615, 89÷55 =1.618, 144÷89=1.618, 233÷144=1.618, usw.). Auch die Division der kleineren durch die grössere Zahl ergibt einen praktisch konstanten Wert von 0.618 (55÷89= 0.618, 89÷144=0.618, usw.). Teilt man eine Fibonacci-Zahl durch die vorletzte (z.B. 144÷55), rechnet sich jeweils ein Wert von ziemlich genau 2.618. Der reziproke Wert davon ist 0.382 (z.B. 55÷144).

            Das Ausmass der Korrekturen nach einem Abwärtstrend (siehe das Diagramm mit den Fibonacci-Retracements) wird wie folgt bestimmt: L + (H – L) x Fibonacci-Verhältniszahl. H steht für das zwischenzeitliche Höchst und L für das zwischenzeitliche Tiefst. Oft verwendete Fibonacci-Verhältniszahlen sind 0.382, 0.500 (als Zwischenwert) und 0.618.

            Bestimmt man für den Swiss Performance Index (SPI) das jüngste Tiefst mit 12'797.41 und das letzte Höchst mit 16'610.35 Punkten, ergibt sich das Retracement-Level bei einer Verhältniszahl von 0.382 wie folgt: 12'797.41 + ((16'610.35 – 12'797.41) x 0.382) = 14'253.95. Die Retracement-Levels bei einer Verhältniszahl von 0.500 bzw. 0.618 sind 14'703.88 bzw. 15'153.81.

            Das 50%-Niveau gilt als eines der wichtigsten Niveaus. Wird es durchbrochen, ist mit einer Fortsetzung des Auf- bzw. Abwärtstrends zu rechnen.

            Zizers, 14. Februar 2023

              Voraussichtlich nächstes Update: Anfang August 2023